1 Der Wandel der Parteienlandschaft in der Schweiz seit 1971

Siegerinnen bei den Nationalratswahlen 2019 waren die beiden Öko-Parteien, die Grünen (GPS) und die Grünliberalen (GLP). Die GPS steigerte ihre Parteistärke um 6,1 Prozentpunkte auf 13,2%, die GLP um 3,2 Punkte auf 7,8%. Für die GPS gab es damit 17 zusätzliche Mandate, womit sie zur viertstärksten ­Delegation im Nationalrat wurde. Das war die grösste Steigerung einer Partei an Mandaten seit der Einführung der Proporzwahl. Die GLP legte um 9 Mandate zu und kam auf 16 Mandate.

Grosse Verliererin der Nationalratswahlen 2019 war mit Stimmenverlusten von 3,8 Prozentpunkten die SVP, jene Partei, die 2015 die Nationalratswahlen deutlich gewonnen hatte. Die SVP verlor 12 Mandate, eines mehr als sie 2015 zugelegt hatte. Mit einer Parteistärke von 25,6% und mit 53 Mandate ist sie aber weiterhin die mit Abstand stärkste Partei im Nationalrat.

Neben der SVP haben auch die anderen drei Bundesratsparteien an Parteistärke und Mandaten eingebüsst. Die SP verlor 2,0 Prozentpunkte (auf 16,8%), die FDP 1,3 Punkte (auf 15,1%) und die CVP 0,3 Punkte (auf 11,4%). Für alle drei Parteien sind dies die schlechtesten Ergebnisse ihrer Geschichte. An Mandaten büssten SP und FDP je 4 ein (auf 39 bzw. 29 Mandate) und die CVP 2 (auf 25 Mandate).

Geschwächte Bundesratsparteien

Damit kommen die vier Bundesratsparteien zusammen auf eine gemeinsame Parteienstärke von 68,9 Prozent oder auf 146 Mandate. Eine ähnlich schwache Abstützung im Parlament hatte der Bundesrat bei den Nationalratswahlen 1991: Damals verfügten die Bundesratsparteien über eine Parteienstärke von 69,4% und über 145 Mandate. Ihnen standen zur Linken die erstarkten Grünen mit einer Parteistärke von 7,5% (und mit 15 Mandaten) gegenüber und zur Rechten die erstarkten Rechtsparteien (Auto-/Freiheitspartei, SD, EDU, Lega) mit einer Parteistärke von 10,8% und mit 16 Mandaten.

Grüne als Wahlsiegerinnen

Die Grünen (GPS) erreichten mit 13,2% das beste nationale Wahlergebnis ihrer Geschichte. Das zweitbeste Ergebnis hatten sie bei den Nationalratswahlen 2007 erzielt (9,6%). Im Vergleich zu den letzten Wahlen von 2015 vergrösserten die Grünen ihre Parteistärke um 6,1 Prozentpunkte. Dies ist eine der grössten Steigerungen der Parteistärke seit Einführung der Proporzwahl von 1919. Grösser war nur noch der Anstieg der SVP von 1995 auf 1999 um 7,6 Prozentpunkte.

Die Grünliberalen (GLP) erzielten bei den jüngsten Nationalratswahlen ebenfalls ihr bestes Wahlergebnis (7,8%). Gegenüber den Wahlen von 2015 steigerten sie ihre Parteistärke um 3,2 Prozentpunkte.

SVP bleibt trotz Verlusten stärkste Partei

Die grössten Verluste musste die SVP entgegennehmen: Ihre Parteistärke reduzierte sich um 3,8 Prozentpunkte von 29,4% auf 25,6%. Dies ist das schlechteste Ergebnis der SVP seit den Nationalratswalen 2003. Im Vergleich zu den Nationalratswahlen 1991, als die SVP zu ihrem elektoralen Höhenflug ansetzte (11,9%), ist die nun erreichte Parteistärke der SVP aber immer noch mehr als doppelt so gross.

Gravierende Verluste für die SP

Die SP verlor 2,0 Prozentpunkte an Parteistärke und erreichte mit 16,8% das schlechteste nationale Wahlergebnis ihrer Geschichte. Dieses Ergebnis liegt rund 1,6 Punkte unter den bisher schwächsten Wahlergebnissen der SP von 1987 und 1991 (18,4% bzw. 18,5%). Auch damals hatten die Grünen an Stimmen zugelegt, wenn auch nicht im selben Ausmass wie bei den jüngsten Wahlen. Die Parteistärke der SP von 16,8% liegt 6,5 Prozentpunkte unter dem letzten Höchststand von 2003 (23,3%) und 8 Prozentpunkte unter dem Höchststand von 1975 (24,9%).

Die jüngsten Gewinne der FDP sind wieder weg

Nach dem Verlust von 1,3 Prozentpunkten erreicht die Parteistärke von «FDP.Die Liberalen» – im Folgenden FDP genannt – mit 15,1% wieder dasselbe Ergebnis wie 2011, welches das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der FDP (inkl. Liberale) darstellt. Die einmaligen Gewinne von 2015 (+1,3 Punkte) wurden 2019 wieder rückgängig gemacht. Im Vergleich zu den Nationalratswahlen 1979, als FDP und LPS zusammen eine Parteienstärke von 26,8% erreichten, ist die FDP um 11,7 Prozentpunkte schwächer geworden.

Nur leichte Verluste der CVP

Bei der CVP halten die Stimmenverluste seit 1979 an – mit einer kurzen Stagnation von 2007 (+0,1 Prozentpunkte) – und erreichten 2019 mit 11,4% einen weiteren Tiefststand. Im Vergleich zu den Nationalratswahlen 1979 (21,3%) ist die Parteistärke der CVP um 9,9 Prozentpunkte gesunken. Gleichwohl ist die Verlustkurve gegenüber 2015 auf 0,3 Prozentpunkte abgeflacht.

BDP bricht ein

Die BDP, die sich 2008 von der SVP abgespaltet hat, beteiligte sich zum ersten Mal 2011 an den Nationalratswahlen und erreichte damals eine Parteistärke von 5,4%. Nachdem sie bereits 2015 Stimmen verloren hatte (–1,3 Prozentpunkte), verstärkten sich die Verluste bei den jüngsten Wahlen nochmals (–1,7 Punkte). Mit einer Parteistärke von 2,4% ist sie nicht einmal halb so stark wie 2011.

EVP – 100 Jahre Stabilität

Die EVP legte bei den Nationalratswahlen 2019 um 0,2 Prozentpunkte zu und erreichte eine Parteistärke von 2,1%. Seit 1919 bewegt sich ihre Parteistärke zwischen 0,7% (1928) und 2,4% (2007).

Kleine Linksparteien bei 1%, kleine Rechtsparteien bei 2%

Die kleinen linken und grün-alternative Parteien (PdA, Sol. und FGA) steigerten sich um 0,2 Prozentpunkte und erreichten eine gemeinsame Parteienstärke von 1,4%. Damit bewegen sie sich im Rahmen der letzten 20 Jahre.

Die kleinen Rechtsparteien (SD, EDU, Lega, MCR) büssten insgesamt 0,5 Prozentpunkte ein und erreichten zusammen noch eine Parteienstärke von 2,1%. Die SD stagnierte bei 0,1% und die EDU wurde um 0,2 Prozentpunkte schwächer (auf 1,0%). Von den beiden regionalen Rechtsparteien verloren die Lega 0,2 Prozentpunkte (auf 0,8%) und das MCR 0,1 Punkte (auf 0,2%).

Starkes Wachstum der Linksparteien, moderates Wachstum der Mitte-Parteien, geschwächte Rechtsparteien

Wird versucht, die Parteien ideologischen Lagern zuzuordnen und deren Parteistärken zu berechnen, so ist dies grosso modo möglich. Die Linksparteien (SP, Grüne, Alternative, PdA und ­Solidarität) haben sich gegenüber den Wahlen von 2015 um 4,3 Prozentpunkte gesteigert und erreichen nun eine Parteienstärke von 31,4%. Dies ist das zweitstärkste Ergebnis seit 1919. Nur bei den Nationalratswahlen 2007 waren die Linksparteien zusammen noch etwas stärker (32,5%).

Werden unter die Mitteparteien die EVP, die CSP sowie die GLP und die BDP subsumiert, so sind diese bei den Wahlen von 2019 um 1,7 Prozentpunkte auf 12,6% angewachsen. Wird auch die CVP der Mitte zugerechnet, so verfügt die Mitte über eine Parteienstärke von 24%.

Die SVP 2019 erreichte zusammen mit den kleinen Rechtsparteien (SD, EDU, Lega, MCR) eine gesamtschweizerische Parteienstärke von 27,7%. Diese liegt 4,3 Prozentpunkte unter dem Höchststand von 2015 (32%). Wird noch die FDP zu den Rechtsparteien gezählt, so erreichen diese zusammen eine Parteienstärke von 42,8% (–5,6 Punkte gegenüber 2015).