9 Armut, Sozialhilfe und soziale Sicherheit

Alleinlebende und Einelternhaushalte sind am häufigsten von Einkommensarmut betroffen. Bei den Paar­haushalten steigt die Armutsquote mit zunehmender Kinderzahl. Sozialtransfers tragen wesentlich dazu bei, Armut zu verhindern: Ohne sie wäre die Armutsquote rund doppelt so hoch. Der Rückgang ist bei Haushalten mit und ohne Kinder etwa gleich gross.

Rund ein Fünftel der Einelternhaushalte werden von der Sozialhilfe unterstützt. Der Anteil ist damit deutlich höher als bei allen anderen Haushaltsformen.

Die Sozialleistungen aus öffentlicher oder privater Hand für Familien und Kinder beliefen sich 2018 auf über 10,5 Milliarden Franken; dies entspricht 1,6% des Bruttoinlandprodukts.

9.1 Einkommensarmut und materielle ­Entbehrung

In der Armutsstatistik wird untersucht, bei welchen Bevölkerungsgruppen das Haushaltseinkommen unterhalb einer statistisch definierten Armutsgrenze liegt.

Armut wird hier definiert als Unterversorgung in wichtigen Lebensbereichen (materiell, kulturell und sozial), so dass die betroffenen Personen nicht den minimalen Lebensstandard erreichen, der im Land, in dem sie leben, als annehmbar empfunden wird. Im Zentrum der nachfolgenden Analysen steht die Verfügbarkeit von Einkommen, da diese die Verteilung von Lebenschancen, Lebensbedingungen und sozialem Status massgeblich mitbestimmt.

Tabelle 9.1 zeigt beispielhaft die durchschnittlichen Armuts- und Armutsgefährdungsgrenzen ausgewählter Haushaltstypen auf. Liegt das verfügbare Einkommen eines Haushalts unterhalb dieser Grenzen, werden alle darin lebenden Personen als arm bzw. armutsgefährdet eingestuft. Dabei wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Haushalte mit Kindern aufgrund der zusätzlichen Personen im Durchschnitt höhere Auslagen bestreiten müssen als vergleichbare Haushalte ohne Kinder.

Durchschnittliche Armutsgrenzen und Armutsgefährdungsgrenzen ausgewählter Haushaltstypen, 2018

In Franken pro Monat

T9.1

Haushaltstyp  durchschnittliche ­Armutsgrenze1 +/– 3 Armutsgefährdungsgrenze bei 60%
des Medians2
+/– 3
Einpersonenhaushalt 2 286 ± 17 2 495 ± 31
zwei Erwachsene ohne Kinder 3 028 ± 21 3 743 ± 46
Einelternhaushalt mit zwei Kindern unter 14 Jahren (3 472) ± (148) 3 992 ± 49
zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren 3 968 ± 50 5 240 ± 64

1 Nationale Durchschnittswerte; für die Berechnung der Armutsindikatoren wird für jeden Haushalt eine individuelle Armutsgrenze verwendet. Mit diesem Betrag werden der Grundbedarf, die Wohnkosten und weitere Auslagen wie Versicherungsprämien etc. abgedeckt. In der Armutsgrenze nicht enthalten sind hingegen die Krankenkassenprämien, da sie bereits vorher vom Einkommen abgezogen werden.
2 Die Berechnung der Armutsgefährdungsgrenzen für die verschiedenen Haushaltstypen erfolgt anhand der modifizierten OECD-Äquivalenzskala: Die älteste Person wird mit 1 gewichtet, jede weitere Person ab 14 Jahren mit 0,5 und jedes Kind unter 14 Jahren mit 0,3.
3 Vertrauensintervall (95%)
(Zahl): Die Werte in Klammern beruhen auf geringen Fallzahlen und sind deshalb mit Vorsicht zu interpretieren.

Quelle: BFS – Erhebung über die Einkommen und Lebensbedingungen, SILC-2018 Version 22.01.2020

© BFS 2021

Vergleicht man die Armutsquoten nach dem Haushaltstyp (Grafik 9.1) zeigt sich zunächst, dass vor allem die Anzahl der erwachsenen Personen im Haushalt einen grossen Einfluss auf die Armutsbetroffenheit ausübt: Alleinlebende Personen und alleinlebende Eltern sind besonders oft einkommensarm (Armutsquoten von rund 11% bzw. 19%), während Personen unter 65 Jahren in Paar­haushalten ohne Kinder und Personen in Paar­haushalten mit Kindern unter 25 Jahren weniger häufig von Armut betroffen sind (Armutsquoten von rund 3% bzw. 5%).

Der Grund dafür liegt primär in der Erwerbsintegration der Haushalte, denn je mehr Personen in einem Haushalt erwerbstätig sind, desto grösser sind auch seine Chancen, ein ausreichendes Einkommen zu erzielen. So ist rund ein Viertel der Personen in Paar­haushalten mit Kindern armutsbetroffen, wenn keine Person im Haushalt erwerbstätig ist. Ist nur eine Person erwerbstätig, liegt die Armutsquote noch bei 6,4%, und bei zwei Erwerbstätigen sinkt sie auf 2,5%.

Bei Paaren im Erwerbsalter ist meistens mindestens eine Person im Haushalt erwerbstätig, und zwar unabhängig davon, ob Kinder im Haushalt leben oder nicht (siehe Kapitel 5). Bei Einelternhaushalten kommen hingegen mehrere Faktoren zusammen, die zu einer angespannten Einkommenssituation führen können: Durch die Trennung der Partnerschaft steigt der Ressourcenbedarf, da in der Regel zwei Haushalte finanziert werden müssen. Der betreuende Elternteil (meistens die Mutter) kann jedoch oft nur eine eingeschränkte Erwerbstätigkeit ausüben. Dies kann nicht immer ausreichend über Alimente kompensiert werden (siehe auch Kapitel 13). Entsprechend haben Personen in Einelternhaushalten deutlich häufiger Mühe, finanziell über die Runden zu kommen als die Gesamtbevölkerung und sind besonders häufig auf Sozialhilfe angewiesen (siehe Kapitel 8 und 9.2).

Ob das erzielte Einkommen ausreicht, hängt auch davon ab, wie viele Personen damit versorgt werden müssen. Haushalte mit Kindern sind tendenziell häufiger armutsbetroffen als Haushalte ohne Kinder, und Personen in Paar­haushalten mit drei oder mehr Kindern sind rund viermal so oft armutsbetroffen wie jene mit einem einzigen Kind (10% gegenüber 2,6%).

Ein Blick auf die Armutsgefährdungsquoten zeigt weiter, dass bei einem beträchtlichen Teil der Haushalte mit Kindern die finanzielle Situation angespannt ist: Rund 28% der Personen in Einelternhaushalten und 13% der Personen in Paar­haushalten mit Kindern gelten als armutsgefährdet und verfügen somit über ein Haushaltseinkommen, das unter oder nur wenig oberhalb der Armutsgrenze liegt. Sie sind besonders stark gefährdet, bei einer geringfügigen Verschlechterung ihrer Einkommenssituation oder einer Veränderung der familiären Situation (z. B. Trennung oder Geburt eines weiteren Kindes) in die absolute Armut abzurutschen. Dies ist umso eher der Fall, je mehr Kinder im Haushalt leben und je jünger das jüngste Kind im Haushalt ist. Da der Bildungsstand einen Einfluss auf die Einkommenshöhe ausübt (siehe Kapitel 8), sind Personen in Paar­haushalten mit Kindern zudem deutlich häufiger armutsgefährdet, wenn keiner der Partner über einen nachobligatorischen Abschluss verfügt. Personen ausländischer Nationalität sind ebenfalls überdurchschnittlich oft armutsgefährdet.

Die Quote der materiellen Entbehrung ist bei alleinlebenden Personen unter 65 Jahren (9%) und Personen in Einelternhaushalten (20%) deutlich erhöht. Personen in Paar­haushalten sind tendenziell öfter von materieller Entbehrung betroffen, wenn Kinder im selben Haushalt leben (4,5% gegenüber 2,8% der Paare unter 65 Jahren ohne Kinder). Am höchsten liegt die Quote der materiellen Entbehrung bei Personen in Paar­haushalten mit drei oder mehr Kindern (8,8%). Materielle Entbehrung kann in verschiedenen Bereichen vorliegen (siehe Kasten). Am häufigsten wird die Unfähigkeit genannt, innerhalb eines Monats unvorhergesehene Auslagen von 2500 Franken zu bestreiten: 48% der Personen in Einelternhaushalten und 30% der Personen in Paar­haushalten mit drei oder mehr Kindern sind dazu nicht in der Lage. Paare ohne Kinder sind hingegen vergleichsweise selten (11%) von diesem Problem betroffen. Auch in anderen Bereichen unterscheiden sich die Anteile der Personen mit Entbehrungen stark nach der Haushaltsform. So können 22% der Personen in Einelternhaushalten nicht jedes Jahr eine Woche in die Ferien fahren und 18% müssen aus finanziellen Gründen auf ein Auto verzichten. Bei den Paaren mit drei oder mehr Kindern sind 12% und 6,2% von diesen Mängeln betroffen und bei den Paaren unter 65 Jahren ohne Kinder lediglich 5,0% und 2,8%.

Konzepte zur Messung von Einkommensarmut und materieller Entbehrung

Die Armutsquote basiert auf einer «absoluten» Grenze: Als arm gelten demnach Personen, die nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um die für ein gesellschaftlich integriertes Leben notwendigen Güter und Dienstleistungen zu erwerben. Eine so definierte Armutsquote eignet sich als sozialpolitische Zielgrösse, da sich die finanzielle Unterstützung armer Personen oder Haushalte direkt in einer messbaren Reduktion der Armut niederschlägt. Die verwendete Armutsgrenze leitet sich von den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) ab, welche in der Schweiz als Bemessungsgrundlage für den Sozialhilfebezug breite Verwendung finden.

Die Armutsgefährdungsquote basiert auf einer «relativen» Grenze: Als armutsgefährdet gelten Personen mit einem verfügbaren Äquivalenzeinkommen, das deutlich unter dem üblichen Einkommensniveau in dem betreffenden Land liegt. Armut wird somit als eine Form der Ungleichheit betrachtet: Ob eine Person als armutsgefährdet gilt, hängt nicht allein von ihrer eigenen wirtschaftlichen Situation ab (bzw. derjenigen ihres Haushalts), sondern auch vom landesspezifischen Wohlstandsniveau. Die Europäische Union setzt die Armutsgefährdungsgrenze bei 60% des Medians des verfügbaren Äquivalenzeinkommens an.

In beiden Konzepten wird jeweils ausschliesslich die Einkommenssituation betrachtet, ohne allfällige Vermögenswerte (Einkommensarmut).

Mit Informationen zur materiellen Entbehrung können auch nicht monetäre Aspekte der Armut untersucht werden. Die Quote der materiellen Entbehrung wird beschrieben als finanziell bedingter Mangel in mindestens drei von neun europaweit koordinierten Kategorien: In der Lage sein, innerhalb eines Monats unerwartete Ausgaben in der Höhe von 2500 Franken zu tätigen; in der Lage sein, eine Woche Ferien pro Jahr weg von zu Hause zu finanzieren; keine Zahlungsrückstände haben; in der Lage sein, jeden zweiten Tag eine fleisch- oder fischhaltige Mahlzeit (oder vegetarische Entsprechung) einzunehmen; in der Lage sein, die Wohnung ausreichend zu heizen; Zugang zu einer Waschmaschine haben; im Besitz eines Farbfernsehers sein; im Besitz eines Telefons sein; im Besitz eines Autos sein.

9.1.1 Sozialtransfers für Haushalte mit Kindern

In der Schweiz gibt es verschiedene Leistungen, welche die finanzielle Belastung von Haushalten mit Kindern teilweise kompensieren und dazu beitragen sollen, Familienarmut zu verhindern (siehe dazu auch Kapitel 9.3). Dazu zählen beispielsweise Prämienverbilligungen für die Krankenversicherung, Familienzulagen, Stipendien oder die Leistungen der Mutterschaftsversicherung. In gewissen Kantonen existieren zudem bedarfsabhängige Leistungen, welche gezielt an Familien mit geringen Einkommen ausgerichtet werden (Familienergänzungsleistungen, siehe Kasten auf Seite 56). Schliesslich zählt auch die Sozialhilfe zu den Transferleistungen, die einkommensschwache Haushalte mit Kindern beziehen können (siehe Kapitel 9.2). Um zu untersuchen, ob diese Leistungen die Familienarmut wirksam bekämpfen können, kann eine Armutsquote vor Sozialtransfers berechnet werden. Dazu werden alle institutionellen Leistungen (mit Ausnahme der Alters- und Hinterlassenenrenten der AHV) vom Haushaltseinkommen abgezogen (siehe Anmerkung zu Grafik 9.2).

Grafik 9.2 zeigt, dass die Armutsquote ohne Sozialtransfers für alle Haushaltstypen deutlich höher ausfallen würde. So wären ohne diese Leistungen rund doppelt so viele Personen armutsbetroffen (rund 16% gegenüber 7,9% nach Sozialtransfers). Da der Rückgang der Armutsquoten durch die Sozialtransfers bei Haushalten mit und ohne Kinder ungefähr gleich gross ist, sind auch die Risikogruppen ähnlich wie bei der Nachtransferarmut: Am höchsten liegt die Armutsquote vor Sozialtransfers bei den Einelternhaushalten (39%) und den Einpersonenhaushalten (24%) sowie den Paaren mit drei oder mehr Kindern (22%). Diese Gruppen sind auch nach Transfers häufiger armutsbetroffen als die Gesamtbevölkerung.

9.1.2 Zeitliche Entwicklung

Grafik 9.3 stellt die zeitliche Entwicklung der Armutsquoten zwischen 2014 und 2018 nach Haushaltstyp dar. Die Armutsquote der Gesamtbevölkerung (blaue Linie in der Mitte der Grafik) lag 2018 mit 7,9% tendenziell höher als 2014 (6,7%). Auch bei den Personen in Einelternhaushalten und in Paar­haushalten mit Kindern lag die Armutsquote 2018 tendenziell höher als 2014. Da sich die Vertrauensintervalle zwischen den beiden Zeitpunkten in allen Fällen überschneiden, sind diese Unterschiede jedoch statistisch nicht signifikant. Obwohl die Armutsquote besonders bei den Einelternhaushalten stark schwankt, ist aufgrund des geringen Anteils dieser Gruppe an der gesamten Bevölkerung auch die statistische Unsicherheit der Schätzwerte gross.

Bei den Paar­haushalten ohne Kinder war die Armutsquote 2018 mit 3,2% etwa gleich hoch wie 2014 (3,3%). Auch die Armutsquote der Einpersonenhaushalte blieb im Beobachtungszeitraum stabil. Sie lag jedoch mit Werten um 12% deutlich höher.

Die Armutsquoten der Personen in Paar­haushalten waren im ganzen Beobachtungszeitraum signifikant tiefer als jene der Gesamtbevölkerung, während die Armutsquoten der alleinlebenden Personen und der Personen in Einelternhaushalten stets deutlich darüber lagen. Die Unterschiede zwischen den Haushaltstypen sind somit über die Zeit stabil geblieben.

Weitere Informationen zu Kapitel 9.1:
Finanzielle Situation der Haushalte
Armut und materielle Entbehrung

9.2 Kinder, Jugendliche und Familien in der Sozialhilfe

Während in der Armutsstatistik anhand von Stichproben untersucht wird, bei welchen Bevölkerungsgruppen das Haushaltseinkommen unterhalb einer statistisch definierten Armutsgrenze liegt, enthält die Statistik der wirtschaftlichen Sozialhilfe, die auf einer Vollerhebung beruht, Informationen zu allen Beziehenden der wirtschaftlichen Sozialhilfe und damit zur Armutsbekämpfung. Die wirtschaftliche Sozialhilfe bildet das letzte Auffangnetz im System der sozialen Sicherheit der Schweiz. Im Jahr 2019 wurden insgesamt 271 400 Personen in 171 700 Fällen bzw. sogenannten Dossiers mindestens einmal im Jahr von der Sozialhilfe unterstützt.

9.2.1 Ein Drittel der Beziehenden sind Kinder und ­Jugendliche

Die Sozialhilfequote (Anteil der Sozialhilfebeziehenden an der ständigen Wohnbevölkerung) betrug 2019 3,2%. Knapp ein Drittel (29%) aller Sozialhilfebeziehenden sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Sie sind im Gegensatz zu allen anderen Altersgruppen in der Sozialhilfe übervertreten. Ihre Sozialhilfequote liegt bei 5,2%. Dies bedeutet, dass jedes zwanzigste Kind mindestens einmal im Erhebungsjahr von der Sozialhilfe unterstützt wurde. Bei den jüngeren Kindern liegt die Sozialhilfequote höher als bei den Jugendlichen (0 bis 5 Jahre: 5,0%, 6 bis 12 Jahre: 5,5%, 13 bis 15 Jahre: 5,1%, 16 bis 17 Jahre: 4,5%).

Werden alle Personen des Haushalts berücksichtigt, so weisen Einelternhaushalte mit minderjährigen Kindern eine Haushaltsquote von 21% auf (Kasten und Grafik 9.4). Dies bedeutet, dass in der Schweiz jede fünfte erwachsene Person, die allein mit minderjährigen Kindern wohnt, Sozialhilfe bezieht. Diese Haushaltsquote ist mit Abstand die höchste aller der in der Grafik 9.4 dargestellten Kategorien. Dieses Risiko ist darauf zurückzuführen, dass es für Eltern in Einelternhaushalten mit minderjährigen Kindern schwierig ist, Familienpflichten und Erwerbsarbeit unter einen Hut zu bringen. 

Quote der von der Sozialhilfe unterstützten Haushalte:

Diese Quote gibt den Anteil Haushalte, in denen mindestens eine Person Sozialhilfe bezieht, im Verhältnis zur Anzahl Haushalte der Wohnbevölkerung im Vorjahr an (STATPOP). Zu einem unterstützten Haushalt gehören alle Haushaltsmitglieder, wenn mindestens eine Person Sozialhilfe bezieht. Es kann also Konstellationen geben, in denen nicht alle Haushaltsmitglieder Sozialhilfe beziehen (z. B. ein Elternteil mit Kindern, der mit seiner Mutter zusammenlebt, die selber keine Sozialhilfe bezieht). Die Haushaltstypologie basiert ausschliesslich auf dem Alter (volljährig/minderjährig) und dem Zivilstand (verheiratet/nicht verheiratet) der Personen. Die Verwandtschaftsverhältnisse (Eltern-Kind) werden in den Gemeinderegistern nicht erhoben (STATPOP). So wird lediglich zwischen Haushalten mit und ohne minderjährige Person(en) sowie bei Haushalten mit zwei Erwachsenen zwischen verheirateten und nicht verheirateten Paaren unterschieden. Paare in einer eingetragenen Partnerschaft werden zu den verheirateten Paaren gezählt. Der Anteil unterstützter Haushalte ist seit dem Erhebungsjahr 2014 verfügbar.

Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren haben selten ein eigenes Dossier, sondern sind meistens Teil von Einelterndossiers oder von Dossiers, die Paare mit Kindern betreffen. Von den unterstützten 79 200 Kindern und Jugendlichen lebt mehr als die Hälfte (55%) mit nur einem Elternteil und 38% leben mit beiden Eltern zusammen (Paare mit Kindern). Die verbleibenden 7% leben entweder in einer stationären Einrichtung oder in anderen Situationen.

9.2.2 Einelterndossiers

Insgesamt erhielten 2019 in der Schweiz 27 600 Unterstützungseinheiten, die nur ein Elternteil und Kinder umfassen, finanzielle Leistungen der Sozialhilfe. Beim Elternteil aus diesen Einelterndossiers handelt es sich fast ausschliesslich um Mütter (93%) und zwei Drittel von ihnen sind getrennt oder geschieden. Mehr als die Hälfte (56%) hat nur ein unterstützungspflichtiges Kind und bei 48% ist das jüngste Kind unter 7 Jahren.

Die Schwierigkeit dieser Familien besteht darin, die Betreuung der Kinder zu organisieren, um wieder in den Arbeitsmarkt eintreten zu können oder um das Erwerbseinkommen zu erhöhen. 40% der Elternteile in diesen Konstellationen sind erwerbstätig und dies hauptsächlich Teilzeit (88%). Mehr als die Hälfte verfügt nur über einen Abschluss der obligatorischen Schule (Grafik 9.5). Unter diesen Voraussetzungen ist es für die Mehrheit dieser Eltern schwierig, die Sozialhilfe dank einer ausreichend entlohnten Arbeit zu verlassen.

9.2.3 Paare mit Kindern

Mit einer Haushaltsquote von 1,6% haben Paare mit Kindern ein kleineres Risiko von der Sozialhilfe abhängig zu sein als Einelternhaushalte (Grafik 9.4, «Zwei Erwachsene verheiratet mit Kindern»). Bei sozialhilfeunterstützten Paaren mit Kindern handelt es sich in der Regel um verheiratete Paare (89%). 67% der Familien in dieser Konstellation haben mindestens zwei Kinder, 31% drei oder mehr Kinder. Bei rund zwei Dritteln ist das jüngste Kind noch im Vorschulalter.

Keine Berufsbildung zu haben, ist ein grosser Risikofaktor für Sozialhilfeabhängigkeit. Personen ohne Berufsbildung sind in der Gruppe der 25- bis 64-jährigen Sozialhilfebeziehenden mit 47% übervertreten. Der entsprechende Anteil in der ständigen Wohnbevölkerung beträgt 16%. Der Anteil der Personen ohne Ausbildung ist somit in der Sozialhilfe fast dreimal so hoch wie in der Bevölkerung. Bei den Paaren mit Kindern ist dieser Anteil mit 64% bei den Müttern und 58% bei den Vätern noch höher. Die berufliche Qualifikation ist eine der grössten Herausforderungen dieser Gruppe, um (wieder) in den Arbeitsmarkt einzutreten.

Bei 62% der sozialhilfeunterstützten Paare mit Kindern ist mindestens ein Elternteil erwerbstätig. Eine vertiefte Analyse der Erwerbssituation der Paare zeigt, dass nur 30% der Mütter erwerbstätig sind, während es bei den Vätern 46% sind. Die Väter sind mit 33% auch bei den Stellensuchenden anteilsmässig stärker vertreten als die Mütter (21%), während die Mütter öfter Verantwortung bei der Kinderbetreuung und im Haushalt wahrnehmen (Grafik 9.6).

9.2.4 Die Hälfte der Dossiers verfügt neben der Sozialhilfe über weitere Einkommensquellen

Für 22% der unterstützten Einelternfamilien und für 23% der Paare mit Kindern stellt die Sozialhilfe die einzige Einkommensquelle dar (Grafik 9.7). Demgegenüber werden 68% der Dossiers ohne Kinder ausschliesslich von der Sozialhilfe unterstützt. Über die Hälfte der Paare mit Kindern und knapp 34% der Eineltenfamilien verfügen neben den Sozialhilfeleistungen über ein Erwerbseinkommen. 38% der Einelternfamilien werden mittels Alimentenbevorschussung bzw. Alimenten (Kategorie «andere Einkommen») unterstützt. Für Dossiers mit Kindern sind Sozialversicherungsleistungen relativ bedeutend. Darunter fallen in erster Linie Kinderzulagen oder Leistungen der Arbeitslosenversicherung (inkl. Zuschlag zum Taggeld für Familien). Gut jede zweite unterstützte Einelternfamilie (53%) erhält Leistungen von einer Sozialversicherung. Bei den Paaren mit Kindern sind es etwas weniger (46%). Bei den Dossiers ohne Kinder beträgt der Anteil dieser Einkommensquelle nur gerade 10%.

9.3 Soziale Sicherheit für Familien und Kinder

Wie in Kapitel 9.2 aufgezeigt, sind Sozialtransfers ein wichtiger Einkommensbestandteil der Haushalte mit Kindern. Im Folgenden werden diese Transfers unter dem Gesichtspunkt des Systems der sozialen Sicherheit genauer untersucht. Die Daten stammen aus der Gesamtrechnung der sozialen Sicherheit. Dabei werden nur Sozialleistungen berücksichtigt, die Risiken und Bedürfnisse in Zusammenhang mit Kindern oder anderen unterstützungsbedürftigen Personen decken.

Die Gesamtkosten im Bereich Familien und Kinder beliefen sich 2018 auf 10,5 Milliarden Franken. Auf diesen Bereich der sozialen Sicherheit entfallen 5,9% der Gesamtausgaben für die soziale Sicherheit (177,1 Milliarden Franken). Die restlichen 94% der Sozialausgaben werden für andere Bereiche wie beispielsweise Alter (43%), Krankheit und Gesundheitsversorgung (32%) oder Invalidität (8,1%) aufgewendet.

9.3.1 Die wichtigsten Sozialleistungen für Familien und Kinder

Die Familienzulagen bilden den grössten Teil der Sozialausgaben für Familien und Kinder in der Schweiz. Sie belaufen sich auf 6,0 Milliarden Franken, was 57% der 10,5 Milliarden Franken entspricht, die insgesamt erbracht wurden. Die Familienzulagen sind auf Bundesebene (Bundesgesetz über die Familienzulagen, FamZG) und auf Kantonsebene geregelt und sollen die Kosten, die den Eltern durch den Unterhalt ihrer Kinder entstehen, teilweise ausgleichen.

An zweiter Stelle stehen mit 17% der Gesamtausgaben die Leistungen von Bund, Kantonen und Gemeinden für den Jugendschutz und die Unterstützung von Familien. Hierzu gehören unter anderem die Geburtszulagen, die Ergänzungsleistungen für Familien der Kantone Solothurn, Waadt und Genf, aber auch Sachleistungen wie Finanzhilfen für kommunale Kindertagesstätten oder andere Massnahmen zugunsten von Kindern (siehe Kasten).

Der drittgrösste Teil der Ausgaben entfällt mit 8,1% auf die Mutterschaftsentschädigung, die in der Erwerbsersatzordnung (EO) geregelt ist. Es folgen die IV-Zusatzrenten für Kinder von IV-Rentenbeziehenden (4,1%), Stipendien (3,4%), die Lohnfortzahlungen der Arbeitgeber für Mutter- und Vaterschaft (2,6%) sowie andere Leistungen (2,5%; Grafik 9.8).

Bedarfsabhängige Leistungen

Von den 10,5 Milliarden Franken, die im Jahr 2018 als Sozialleistungen an Familien ausbezahlt wurden, sind 924 Millionen Franken bedarfsabhängige Leistungen, also Leistungen, die nach Prüfung des finanziellen Bedarfs und der vorhandenen Ressourcen der Antragsstellenden ausgerichtet werden. Von diesem Betrag werden 264 Millionen Franken direkt von den Kantonen in Form von Geldleistungen ausbezahlt (BFS 2020). Es handelt sich um Leistungen, die der wirtschaftlichen Sozialhilfe vorgelagert sind und die spezifisch für Familien und Kinder bestimmt sind, so beispielsweise Alimentenbevorschussungen (95 Millionen Franken), Ergänzungsleistungen für Familien der Kantone Solothurn, Waadt und Genf (103 Millionen Franken) oder der «assegno integrativo» des Kantons Tessin (23 Millionen Franken). Diese Zahlen stammen aus der Finanzstatistik der Sozialhilfe im weiteren Sinn (siehe BFS 2020 «Finanzstatistik der Sozialhilfe im weiteren Sinn»). Diese Statistik liefert eine ausführliche Beschreibung der kantonalen bedarfsabhängigen Geldleistungen. Diese Leistungen sind in der Gesamtrechnung der sozialen Sicherheit (GRSS) enthalten, auf der dieses Kapitel basiert. Unterschiede zwischen diesen beiden Statistiken sind aus methodischen Gründen möglich. Gemäss der GRSS gehört die wirtschaftliche Sozialhilfe, die auch Sozialhilfe im engeren Sinn genannt wird, nicht zu den Sozialleistungen des Bereichs Familien und Kinder. Die verbleibenden bedarfsabhängigen Leistungen (660 Millionen Franken) gehören nicht zur Sozialhilfe im weiteren Sinn. In diesem Betrag enthalten sind unter anderem die Stipendien (356 Millionen Franken), die familienergänzende Kinderbetreuung der Gemeinden oder andere Sachleistungen.

9.3.2 Entwicklung der Leistungen für Familien und ­Kinder

Zwischen 2003 und 2018 stiegen die Ausgaben des Bereichs Familie und Kinder real um 39% von 7,6 auf 10,5 Milliarden Franken an. Zum Vergleich: Diese Wachstumsrate ist tiefer als jene der Sozialleistungen insgesamt (+ 47%), jedoch sowohl höher als das BIP-Wachstum (+ 36%) als auch als der Anstieg der Anzahl Personen unter 25 Jahren (+ 6%). Der Anstieg der sozialen Ausgaben in diesem Bereich ist praktisch ganz auf die Familienzulagen (FZ), die Leistungen von Bund, Kantonen und Gemeinden zur Unterstützung von Familien sowie auf die Mutterschaftsentschädigung (EO) zurückzuführen. Der leichte reale Rückgang im Jahr 2018 ist die Folge des generellen Anstiegs der Preise (+ 0,9%).